K l a u s K a u k e r

Montag, 11. Juni 2012

Pop Studie

Eine interessante Studie über unsere Popwelt geistert seit einigen Tagen durch die Presse. Tausend Songs der vergangenen 50 Jahre wurden auf Tempo und Tongeschlecht untersucht. Ergebnis: Popmusik ist heute länger und langsamer, sowie doppelt so oft in Moll geschrieben wie vor 50 Jahren.

Soll das bedeuten, dass unsere Gesellschaft ein Stimmungstief durchmacht? Spiegelt sich da die Volkskrankheit BurnOut in der Musik? Muss ein Hit heutzutage in Moll geschrieben sein?

Ich halte diese Überlegungen für extrem weit hergeholt. Eine Tonart in Moll bedeutet noch lange nicht, dass wir das Stück als traurig empfinden. Auch Langsam muss aus meiner Sicht nicht gleich traurig bedeuten (als langsamstes Stück der Studie wird übrigens Leo Sayer - When I Need You mit 37 bpm angeführt - aus meiner Sicht eher ein 6/8-Takt mit 111 bpm).

Einzelne Parameter, die wir aus dem musikalischen Kontext reißen, verlieren aus meiner Sicht sämtliche Aussagekraft. Ich hätte gerne mal eine Studie, welche die Veränderungen des Musikkonsums untersucht. Mit dem Ablösen der Single-Vinyl, Einführung des Radios, Verfügbarkeit von Musik über das Internet, hat sich auch die Aufgabe von Popmusik gewandelt und die Art und Weise, wie sie auf den Konsumenten wirkt.

Ich hoffe auf viele weitere Pop-Studien. Es ist höchste Zeit, dass sich die Wissenschaft intensiver mit dieser Gattung auseinandersetzt.

Was ist Eure Meinung zu der Pop-Studie? Könnt Ihr den aufgezeigten Wandel bei Euch selbst nachempfinden?
Hier ein Interview mit mir zum Thema.

7 Kommentare:

Anonymous Anonym meinte...

Moll ist halt das bessere Dur.

12. Juni 2012 um 07:49  
Blogger Klaus meinte...

Für mich steht Moll auch eher für so etwas wie Tiefgang - weniger für Traurigkeit... ist aber irgendwie schwer zu beschreiben. Ich glaub in meinen Videos spreche ich der Einfachheit halber auch von fröhlich und traurig...

12. Juni 2012 um 08:37  
Anonymous Anonym meinte...

Ich spiele irgendwie lieber in Moll. Auf der Gitarre denke ich auch in Skalen und über D-Dur würde ich B-Moll spielen und mir das tonale Zentrum dann halt anders denken. So habe ich das gelernt, ich versuche das jetzt aber so langsam abzulegen und weniger nach Griffbildern, sonder mehr nach Gehör zu spielen..aber das ist ja nicht so leicht.

Dass Moll für Traurigkeit steht wird einem ja schon von seinen Eltern (indirekt) beigebracht. Da kann man sich kaum gegen wehren.

1000 Lieder über 50 Jahre hört sich auch irgendwie nicht viel an. Ich weiß nicht ob das so representativ ist.

12. Juni 2012 um 11:04  
Blogger Klaus meinte...

Mir kommen 1000 Titel auch extrem niedrig vor - allerdings darf man die Wissenschaft da auch nicht unterschätzen. Mir hat's zum Beispiel auch die Schuhe ausgezogen, wie klein das Panel der GFK zur Ermittlung der TV-Quote ist..

Update: Ich habe dem Artikel noch einen Link zu einem Radiointerview mit mir angefügt, dort wurde auch der Leiter der Studie interviewt.

14. Juni 2012 um 10:01  
Anonymous romanpriest meinte...

Ich glaube, dadurch das die Musikproduktion, hmm, demokratischer geworden ist, und weil es einfacher ist zu einer akzeptablen und dennoch origineller Melodie in Moll anzukommen (als in Dur), hat man in Schlussfolgerung dieses Ergebnis. Die Analyse sollte auch Profis und Indies getrennt bewerten, dann kann man die vorherige Aussage ueberpruefen.

111 bpm sicherlich... um bei 37 bpm einen Walzer zu tanzen, sollte man vielleicht vorher etwas Qi Gong ueben.

15. Juni 2012 um 10:36  
Anonymous Anonym meinte...

Nach dieser These sollten bald aber auch die (noch) originellen Moll-Melodien aufgebraucht sein.
Vielleicht wird der Melodien-Mainstream demnächt den lokrischen Modus für sich entdecken...
ok, eher unwahrscheinlich.
Aber einige Lieder hat die populäre Musik ja schon hervorgebracht, die über Aeolisch und Ionisch hinausgehen... Earth Song, Maybe (Lena),...

Ich finde, dass es in der heutigen Musik fast weniger um Melodie und Harmonik geht, sondern die "Sounds" eine größere Rolle zu spielen scheinen. Das kann man sicherlich auch wertneutral sehen, aber ich bin, was das angeht, noch ein wenig altmodisch und freue mich über jede harmonische Überraschung.

20. Juni 2012 um 14:34  
Anonymous Anonym meinte...

Warum klingt Moll traurig?

Das größte Problem bei der Beantwortung der Frage, warum Moll traurig klingt, dürfte wohl in der Tatsache liegen, dass Moll auch manchmal nicht traurig klingt. Die Lösung dieses Problems ist die Strebetendenz-Theorie. Sie sagt, dass Musik überhaupt keine Emotionen vermitteln kann, sondern nur Willensvorgänge, mit denen sich der Musikhörer identifiziert. Beim Vorgang der Identifikation werden die Willensvorgänge dann mit Emotionen gefärbt.

Bei einem Durakkord in bestimmtem harmonischen Kontext identifiziert sich der Hörer beispielsweise mit einem Willensinhalt, der in etwa der Aussage "Ja, ich will" entspricht. Ein Mollakkord - in bestimmtem Kontext gespielt - bewirkt dagegen die Identifikation mit einem Willensinhalt, der in etwa der Aussage "Ich will nicht mehr" entspricht. So kann dieser Willensinhalt "Ich will nicht mehr" beispielsweise als traurig oder als wütend erfahren werden, je nachdem, ob ein Mollakkord relativ laut oder leise gespielt wird. Wir unterscheiden hier genauso, wie wir unterscheiden würden, wenn jemand die die Worte "Ich will nicht mehr" einmal leise und einmal laut schreiend von sich geben würde. Ähnliche Identifikationsvorgänge kann man übrigens beobachten, wenn wir einen spannenden Film anschauen und uns mit den Willensvorgängen unserer Lieblingsfigur identifizieren. Auch hier erzeugt erst der Vorgang der Identifikation Emotionen.

Da der Umweg der Emotionen über Willensvorgänge in der Musik nicht erkannt wurde, scheiterten auch alle musikpsychologischen und neurologischen Versuche, die Ursache der Emotionen in der Musik zu ergründen. Der Erfolg dieser Versuche würde in etwa einem Menschen entsprechen, der einen Fernsehapparat aufschraubt und darin mit der Lupe nach den Emotionen sucht, die er zuvor beim Ansehen eines Films empfunden hatte.

Doch wie kann Musik Willensvorgänge vermitteln? Diese Willensvorgänge haben etwas mit dem zu tun, was alte Musiktheoretiker mit Vorhalt, Leitton oder Strebetendenz bezeichnet haben. Wenn wir diese musikalische Erscheinungen gedanklich in ihr Gegenteil umkehren, dann haben wir in etwa den Willensinhalt umrissen, mit dem sich der Musikhörer identifiziert. In der Praxis wird dann alles noch etwas komplizierter, so dass sich auch konkretere Willensinhalte musikalisch darstellen lassen.
Weitere Informationen erhalten Sie über den kostenlosen Download des E-Book der Universität München "Musik und Emotionen - Studien zur Strebetendenz-Theorie":
http://ebooks.ub.uni-muenchen.de/26791/
Bernd Willimek

20. April 2013 um 11:14  

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