K l a u s K a u k e r

Samstag, 28. Januar 2012

SuperHirn - Hintergründe

Damn,
der mediale Rummel ist verklungen und gibt mir gerade mal wieder etwas Zeit zum Luftholen.
Hier ein kleiner Rückblick mit ein paar Insider-Infos meiner SuperHirn - Story.

Kann ich das auch?
Angefangen hat alles mit einem Text auf fernsehkritik.tv, in welchem der Gewinner der Sendung auseinander gepflückt wurde. In einem Nebensatz las' ich von dem Musiker und seiner Fähigkeit, fehlende Musiker eines Orchesters heraus zu hören. Wow, nicht schlecht - ob ich das auch kann?

Klaus decides to investigate
Wie schön, dass es die ZDF-Mediathek gibt. Einen Durchgang hat es gedauert, bis ich überhaupt erst verstand, dass er sogar auf den Musiker genau die fehlenden Instrumente bestimmen konnte - das hab' ich dank meines gesunden Musikerverstandes gar nicht erst in Betracht gezogen -
also noch einmal genau hingehört und da ist mir der stumme Cello-Takt aufgefallen. (Die "Signaltöne" hab' ich für Verspieler im Orchester gehalten - sorry liebes JuSi aber es darf bei Jugendlichen auch schon mal etwas klappern, kieksen und unausgewogen klingen - wie sich mir ja auch noch herausgestellt hat, habt Ihr extrem genau und konzentriert gespielt).

Erster Verdacht war, das Arrangement wurde im zweiten Durchgang auf die verschiedenen Spieler aufgeteilt "divisi"-sozusagen. Das hätte auch erklärt, warum die zweite Version wesentlich leiser klang als die erste. Allerdings konnte man im Cello-Pausentakt die verbliebenen Cellisten spielen sehen. Nach dem Schlusston hat der Applaus extrem unnatürlich eingesetzt, definitiv ein Schnitt im Ton (und Bild) - die zweite Fassung ist doch nicht etwa vom Band gelaufen??
Nenee, die Cellisten wurden angehalten, so zu tun, als würden sie spielen (Luftbogen) und der merkwürdige Schnitt am Ende kam deshalb, weil während der Hör-Aufgabe die Studio-PA abgeschaltet wurde (man wollte Gerhard Wolters damit akustisch entgegen kommen) - daher auch der leisere Ton.
Gerhard Wolters bekam ja einen Bauarbeiter-Hörschutz aufgesetzt - so ein Ding hab' ich als Kind beim Schlagzeugspielen oft getragen, konnte meinen Lehrer dadurch allerdings beim Reden gut verstehen. Ob er was hören konnte ist aber egal, weil Axel Prahl lobenswerterweise mit dem gleichen Verdacht die Musiker schweigend heraus nahm.

Nach ein paar Hin- und HerVerdächtigungen konzentrierte ich mich dann lieber auf die anderen Spieler. Die 4. erste Violine stand auf seiner Liste ganz oben vor dem Cello. Vorausgesetzt er hat chronologisch mitgeschrieben, war es mir dadurch möglich, die Stelle ein bisschen einzugrenzen und dann war's leicht. Sechs Takte vor dem Hauptmotiv? Sechs erste Geigen? Das 'd' hat also etwas zu bedeuten!!

FernsehKritik.tv und Gespräche mit Gerhard Wolters
Ich hab' darauf hin Holger Kreymeier (Fernsehkritik.tv) von der Sachlage berichtet und von ihm kurzerhand grünes Licht für einen Gastbeitrag bekommen. Mein journalistischer Ehrgeiz war geweckt und ich kontaktierte Gerhard Wolters sowie die ZDF Pressestelle.
Die Antwort der PresseStelle war sehr freundlich aber auch vergleichsweise nichts sagend. Obwohl ich angekündigt hatte, die "Technik" (der Ausdruck "Trick" ist nicht mehr "p.c.") zu veröffentlichen, war man sich der Folgen offenbar nicht so recht im klaren.
Ganz anders aber war mein Telefonat mit Gerhard Wolters, völlig selbstverständlich gab' er seine "Technik" zu und erwiderte auf meine Frage, warum man das Publikum diesbezüglich nicht aufgeklärt hat, es sei für den Laien nicht zu verstehen und im Grunde auch uninteressant. Sogar die Redaktion der Sendung habe Schwierigkeiten gehabt, seine Technik nachzuvollziehen.
Alle Erklärungsansätze (sowie Ausschnitte, die Gerhard Wolters Buch und seine Tagesmusikschule zeigen) sind herausgeschnitten worden.

Pressewirbel
Die Veröffentlichung bei fernsehkritik.tv war ein großer Erfolg für mich - mein Kanal hat ordentlich Abonnenten hinzugewonnen und die Reaktionen waren DURCHWEG positiv.
Auch meine eigene Veröffentlichung bei YouTube ein paar Tage später wurde sehr dankbar entgegen genommen.
Ein Mathematik-Professor, der für SpiegelOnline bereits den Sieger der Sendung auf den Boden zurück holte, leitete auch mein Video an den entsprechenden Redakteur weiter.
Auf ein kurzes Telefongespräch folgte dann die Veröffentlichung auf spiegel.de. Und schon meldeten sich Redakteure von 1Live, WDR-Fernsehen, NRZ, WAZ, MDR und FAZ bei mir.
Ich war natürlich gerne für Interviews bereit, hatte mir in der Eile aber noch nicht die super griffigen Formulierungen zurecht gelegt - ich hätte nicht gedacht, wie viel bei diesen Gesprächen ein einziges Wort wiegen kann. Sagt man "Trick", kommt im Artikel "Trickser", "Betrüger" etc. heraus.
Dem Düsseldorfer Express war es kein Interview aber immerhin die Titelstory wert:

>>Pilawas Superhirn als Trickser entlarvt<<
>>Kaukers Fazit: Das Orchester und der Musik-Pädagoge steckten unter einer Decke. Der Musiklehrer redet sich jetzt damit heraus, dass das Orchester wegen der schlechten Akustik stärkere Akzente setzen musste<<
>>Von einem Trick war der Redaktion nichts bekannt"
(Quelle)

Wie gesagt, ich habe dem Express kein Interview gegeben. Ob man es Trick, Technik oder Methode nennt, ist aus meiner Sicht relativ egal - ich habe Gerhard Wolters allerdings nie einen Trickser oder Betrüger genannt, meine Kritik bezog sich nie auf ihn als Person sondern auf die Tatsache, dass dem Fernsehpublikum (6,4 Mio. Zuschauer) ein falscher Eindruck suggeriert wurde. Klar, man kann dem Orchester vorwerfen, dass es sich auf dieses Spiel eingelassen hat aber ich wäre der letzte, der so etwas sagen würde - es sind Jugendliche, für welche die Chance eines Fernsehauftrittes etwas besonderes ist. Ich hätte da vermutlich auch mitgemacht und wäre nicht auf die Idee gekommen, die Erklärung der Technik vertraglich zu vereinbaren, weil ich sonst einen Image-Verlust befürchte.
Deshalb noch mal klar der Hinweis - "Kaukers Fazit" ist kein Zitat und ich distanziere mich von dieser negativ behafteten Auslegung.

Schuld war die Akustik
Klar, bei einer trockenen Fernseh-Studio-Akustik mit einer ständig surrenden Lüftungsanlage findet man keine optimalen Voraussetzungen vor. Der Fernsehsound sei um Klassen besser gewesen. Gerhard Wolters hat mir mehrmals zu verstehen gegeben, dass der Beitrag anders geplant war - im Idealfall wären die Signale NIEMANDEM aufgefallen.
Meiner Meinung nach hätte man doch dann auf einen Kopfhörer mit Fernsehsound bestehen können. Ich jedenfalls hätte Verständnis dafür gehabt, wenn man sich Lüftungsanlagen, schluckenden Räumen und Geräuschkulisse aus dem Publikum nicht aussetzen möchte. Ein anderer Weg wäre gewesen, das Orchester ungestützt abzunehmen. Das Fernseh-Publikum hätte dann einen ähnlichen Klangeindruck wie der Kandidat gehabt und hätte die Leistung besser einschätzen können. Noch ein Weg wäre gewesen, den Beitrag zurück zu ziehen, weil er unter diesen Umständen nicht durchführbar ist.
Mit der Art und Weise, wie es durchgeführt wurde, ist man das Risiko eingegangen, dass es jemand hört und dass dieser jemand damit auch nicht hinterm Berg hält.
Verstehe ich das richtig - im Idealfall wären die Signaltöne (schreckliches Wort - ich weiß) dem Publikum nicht aufgefallen und das Publikum wäre (nachhaltig) erfolgreich auf eine falsche Spur gelockt worden?
Ich bin mir nicht sicher, ob ich das besser gefunden hätte.
Und mal ganz abgesehen davon: "Der Raum/Der Mischer war Schuld" ist die beliebteste Ausrede von Musikern (oder kennt Ihr noch eine klischeehaftere?)

Ist doch alles nur Unterhaltung
Noch ein Satz von dem ich mich distanzieren muss: "Ich finde den Beitrag in der Show alles andere als unterhaltsam" (Quelle)
Gerhard Wolter's Beitrag war überaus unterhaltsam (wir unterhalten uns ja heute noch darüber) und seine Hör-Leistung kann man sicherlich auch respektieren.
(Ebenso respektiere ich die Fähigkeiten aller anderen Kandidaten).
In einer Sendung, wo klar ist, dass mit Tricks, entschuldigung, Techniken gearbeitet wird (z.B. The Next Uri Geller) ist so ein Beitrag hervorragend aufgehoben.
Bei "The Next Uri Geller" gab es im übrigen auch zahlreiche Aufdeckungsvideos bei YouTube, die vermutlich sogar in das Erfolgskonzept einkalkuliert wurden.
Am PresseEcho kann man aber ablesen, dass wir es hier mit etwas anderem zu tun haben. Von einer Unterhaltungssendung im öffentlich rechtlichen Fernsehen, welches sich die eine Hälfte Glaubwürdigkeit bei Wetten Dass abholt und die andere Hälfte bei dem angesehenen Neurobiologen Prof. Dr. Tobias Bonhoeffer, erwarten wir was? richtig - Glaubwürdigkeit.

Ich ziehe dieses Fazit ungern, aber so wie die Karten im Moment auf dem Tisch liegen, heißt das: bei den Sendungen im ZDF ist zugunsten der Unterhaltung alles erlaubt.
Wenn bei WettenDass gesagt wird, die Buntstift-Wette sei der einzige Betrug gewesen, müsste es jetzt genauer heißen: der einzige Betrug, der nicht mit der Redaktion abgestimmt war.
Schade, dass ich im Fernsehen keiner Sensation mehr Glauben schenken darf.

Das war mit Abstand mein längster Blogpost - freue mich über ein MicroPayment.
was denkt Ihr dabei, was ist Euer Fazit?

Gruß
Klaus


11 Kommentare:

Anonymous Anonym meinte...

Da haste dir wohl Mühe gegeben, scheint die ja am Herzen zu liegen.

Daraus werde ich für mich mitnehmen, dass in den Medien aus einer Mücke ein Elefant gemacht wird.. da muss man ganz schön aufpassen

28. Januar 2012 um 18:24  
Blogger Grinning Colossus meinte...

Ich würde dich jetzt Flattrn, falls ich Flattr benutzen würde.

Ich glaube, du hast den bislang medial wirksamsten Beitrag bei FKTV gebracht - Holgers Gesamtwerk ist natürlich sehr eindrucksvoll, aber ich erinnere mich an keinen seiner Beiträge, der über ein, zwei Erwähnungen auf großen Medienseiten (mostly BILDBlog) hinausgegangen wäre. Whatever - du hast dir zum richtigen Zeitpunkt das beste Format zur Veröffentlichung ausgesucht - sauber!

Viele Grüße
Ein Fernsehkritik-Zuschauer der ersten Stunde

28. Januar 2012 um 22:35  
Blogger Klaus meinte...

Hm mir ist klar, dass flattr nicht besonders verbreitet ist. Ich wollte es im Rahmen dieser Story mal ausprobieren.
Ich verdiene da wohl so gut wie nichts durch aber ich finde das Konzept klasse und bin auch schon gelegentlich angesprochen worden, ob ich den Button nicht einbinden will..
Wenn jetzt niemand flattrt, hab' ich da kein Stress mit - war nur jetzt mal ein guter Anlass, das zu testen.

Danke für Euer Feedback!
Klaus

29. Januar 2012 um 01:45  
Anonymous romanpriest meinte...

Wenn die Sendung den - fuer uns mittelmaessige - einschuechternden Titel "Superhirn" traegt, dann darf derjenige der eine Luege aufdeckt, sie als solche beim Namen nennen. Und es ist auch politisch korrekt. Eigentlich weiss ich nicht was das heisst. Es ist auf jedenfall korrekt. Und TV-Leute muessen sowas ertragen. In den '70 Jahren haette wohl die Sendung lediglich den Namen getragen: "Wie machen sie das nur?"

Fern von mir der Gedanke, mich anzuschleimen, aber ein guter Hirn (wohlgemerkt kein Superhirn, ich habe sowas noch nie gesehen, es haengt ja auch alles von den Anspruechen ab) hat eigentlich derjenige, der die Masche aufgedeckt hat.

Das Fernsehen wird daraus auch lernen: das naechste Mal verzichten Sie ganz auf die noch echte Kodierung, und es sprechen sich einfach alle ab, oder die Kopfhoerer enthalten einen Empfaenger. Wat soll's. Dann koennen Sie gleich 'ne
Mordsblondine als Superhirn nehmen. War das jetzt politisch korrekt ?

29. Januar 2012 um 11:56  
Anonymous Anonym meinte...

Wohin nur mit dem ganzen Budget, wenn man die Kandidaten der nächsten Sendung innerhalb eines Tages in der Kölner Fußgängerzone casten kann?

29. Januar 2012 um 14:33  
Anonymous Christopher meinte...

Interessant zu sehen, wie die Medien in solchen Fällen überreagieren bzw. Aussagen verfremden. Habe mal eine Hausarbeit zum Thema Krisenkommunikation verfasst, und eigentlich hat man bei so Sachen nie eine Chance. Die Medien versuchen einfach nur, einen Skandal/Aufmacher zu basteln, um Ihre Auflage zu stärken. Aber davon würde ich mich nicht unterkriegen lassen.

Bin nur etwas überrascht von Wolters Verhalte, dass er dich jetzt herausfordern will. Klingt ein wenig danach, das er durch den Rummel um sein Image fürchtet und es dir heimzahlen will. Würd ich mich absolut nicht drauf einlassen, schließlich hast du ja schon bewiesen, dass er ein "System" hatte. Und ich glaub, es ist viel schwieriger, so etwas zu entdecken, wenn man vorher nicht weiss, wie es funktioniert...deine Leistung ist also noch höher zu bewerten als seine!

29. Januar 2012 um 14:53  
Blogger Klaus meinte...

Hey Christopher,
Danke, ich werd' mich natürlich nicht auf dieses Wetthören einlassen. Weiß auch nicht, ob ZDF bzw. WDR da mitmachen würden.

Überrascht war ich ebenfalls über diese Mail. Noch überraschter war ich von der Tatsache, dass er nach 12 Stunden schon öffentlich verlautbart hat, ich sei zu feige, um ihm zu antworten.

Darüber hinaus haben sich einige Leute bei mir gemeldet, die Wolters persönlich kennen und meine Arbeit mit einem hohen Maß an Befriedigung verfolgt haben.
So ganz beliebt scheint er in Borken, wo ich ja demnächst einen Aufttitt habe, nicht zu sein.

Auf mich wirkte er eigentlich ganz sympathisch, was für mich als Eindruck auch erstmal zählt aber ich gebe zu, dass mich sein jetziges Verhalten auch etwas irritiert.

29. Januar 2012 um 15:33  
Anonymous Patrick Schönbach meinte...

Spannend ist auch die Frage, wieso in der Sendung das Jugendsinfonieorchester nicht von deren Dirigent, sondern von irgendeinem Musikschulleiter aus Österreich geleitet wurde. Siehe hier.

30. Januar 2012 um 17:14  
Blogger Klaus meinte...

Mich hat die Information erreicht, dass der Beitrag zunächst mit einem anderen Orchester geplant war (die sollen wenig Spaß daran gehabt haben und seien abgesprungen) - vielleicht hat das auch etwas mit dem Dirigenten zu tun - für meinen Geschmack hätte der auch ein bisschen mehr Elan zeigen können..

30. Januar 2012 um 21:13  
Anonymous Christian meinte...

Hallo Klaus!
Was Dein Gedanke betrifft, das bei "Wetten dass.." mehr als ein Mal betrogen wurde, kann ich zumindest teilweise bestätigen.
Aber auch in dem folgenden Fall, wird die Wetten dass Redaktion nichts von dem "Betrug" gewusst haben.
Während meines Grundwehrdienstes bei der Bundeswehr, lernte ich um 1990 einen "Kameraden" kennen, der mir davon berichtete, das er mit drei Freunden, mit einer Wette bei o.g, Sendung war. Er hatte mir dazu später sogar noch Fotos gezeigt, von den Proben, und u.a. auch von Thomas Gottschalk.
Die Wette lautete: Wir können am Korkenknall erkennen, um welche Sektmarke es sich handelt!
Soweit ich mich erinnern kann, hatten die Freunde diverse "Geräusche" ausgemacht, um dem blinden "Hörer" mitzuteilen, um welche Marke es sich handeln würde.
In der Probe lief dann alles fehlerfrei. Auch entdeckte niemand den Trick mit den Geräuschen!
Leider ist dann einer der "Geräuschemacher" in der Nacht zur Livesendung erkrankt.
Und man konnte nicht ohne weiteres die wochenlang einstudierten "Geräusche" auf die anderen Beiden verteilen.
Lange Rede, kurzer Sinn.
Die Wette ging gründlich daneben, weil der "Kranke" auch noch Geräusche einfließen lies, die garnicht dazugehörten....

Schöne Grüße!

11. Februar 2012 um 01:28  
Blogger Klaus meinte...

Hallo Christian, herzlichen Dank für die Info! Sehr interessant! Schade, dass die Wette damals nicht geklappt hat - hätte die geheimen Zeichen gerne einmal nachvollzogen.
Es ist offenbar nur die Spitze eines gewaltigen Eisbergs.
Viele Grüße
Klaus

11. Februar 2012 um 03:28  

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